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PERSONEN: 



ERSTER in allen Bereichen zur Androgynie 

neigender Mensch


ZWEITER in allen Bereichen zur Androgynie 

neigender Mensch


Das Stück spielt in der heutigen Zeit


PROLOG


Zwei vermummte Gestalten drehen Achten. 

Ein Schneesturm weht ihnen ins Gesicht. 

Aus dem OFF heult ein Sturm auf.


ERSTER:

Ich habe das Gefühl

wir bewegen uns im Kreis


ZWEITER:

Keine Angst

es sind Achten


ERSTER:

Im Grunde

dasselbe

Zwei Kreise

die miteinander 

verbunden sind


ZWEITER:

Mathematiker?


ERSTER:

Wir brauchen einen Unterschlupf

Jetzt 

wo uns der Heiland geboren wird


ZWEITER:

Dem Himmel

scheint es einen Dreck zu scheren

Zum Glück

sind die heutigen Dattel-

und Feigenbäume

winterhart


ERSTER:

Man sieht die Hand

vor Augen nicht

Was ist das?


ZWEITER:

Wo?


ERSTER:

Da


Er zeigt mit dem Finger nach oben.


ZWEITER:

Und?


ERSTER:

Vielleicht

sollten wir dem Stern folgen


ZWEITER:

So hell 

leuchtet kein Stern

Es wird ein Satellit sein


ERSTER:

Wir können 

es ja auf einen Versuch ankommen lassen

Immerhin

gibt es da 

diese Prophezeiung 


ZWEITER:

Prophezeiung

hin oder her

Wer glaubt denn 

an so was?

Alte Weiber


ERSTER (unterbricht):

Und Jungfrauen


Beide lachen.


ZWEITER:

Ich glaube da

vorne ist was


ERSTER:

Wo?


ZWEITER:

Da


ERSTER:

Ein Zelt

Das ist unsere Rettung


ZWEITER:

Ich meinte 

da


ERSTER:

Tiere

da stehen Tiere

mitten auf dem Gehweg


ZWEITER:

Das ist doch eine Kuh


ERSTER:

Eher 

ein Ochse


ZWEITER:

Na klar

und das andere

ist ein Esel

wie in der Prophezeiung


ERSTER:

Unsinn

Das ist ein Bär

und der andere ein Bulle

Wir sind an der Börse gelandet


ZWEITER:

Unsinn

das ist ein Esel

ein dicker Esel eben

Vielleicht

ist er schwanger 

und gebärt auch ein Baby


ERSTER:

Erstens

ist der Esel

ein er

und zweitens

gebärt ein Esel

kein Kind

sondern 

ein Fohlen


ZWEITER:

Davon steht nichts

in der Prophezeiung


ERSTER:

Das Zelt 

steht offen

Es scheint leer


ZWEITER:

An diesen Tagen

ist jeder bei seiner Familie


ERSTER:

Occupy-Bewegung

Attac

Und diese komischen Masken

Ich kenn 

mich nicht mehr aus


ZWEITER:

Hauptsache 

wir haben ein Dach

über dem Kopf

Ist das Kind

erst einmal da

wird es die Welt 

verändern


ERSTER:

Das befürchte ich auch

ZWEITER:

Wir sollten die Rollen tauschen


Der Schneesturm lässt die beiden verschwinden.


1. SZENE: SCHWARZ - WEISS


Eine Tür wird zugeschlagen.

Zwei Könige stehen auf der Bühne, der ERSTE  

schwarz, der ZWEITE weiß geschminkt. 

Der ERSTE hält an einem Stil den Stern in der 

Hand, in der anderen einen Koffer, der ZWEITE 

schleppt zwei Koffer.


ERSTER:

Wieder nichts


ZWEITER:

Hast du 

etwas anderes erwartet?


ERSTER:

Knapp

war es schon


ZWEITER:

Was heißt 

hier knapp?

Die Tür

haben sie uns

vor der Nase

zugeschlagen


ERSTER:

Ich habe 

ihre Augen gesehen

Müde

traurige Augen


ZWEITER:

Nichts 

hast du gesehen

Einen Spalt nur

war die Tür offen

Die Kette

am Schloss


ERSTER:

Gefangen

im eigenen Ich

Genau so

haben die Augen

ausgesehen


ZWEITER:

Da war nichts zu sehen

ging 

alles viel zu schnell


ERSTER:

Ich habe die Traurigkeit

gesehen

Diese Leere

diese Müdigkeit

Das ist kein

Zuckerschlecken

Da hat einer

lange

auf den Stern

gewartet


ZWEITER:

Die Tür

haben sie uns 

zugeschlagen


ERSTER:

Immerhin sind wir es

die die frohe Botschaft bringen


ZWEITER:

Da bin ich mir 

nicht so sicher


ERSTER:

Vom Himmel hoch

da komm ich her


ZWEITER:

Falscher Text


ERSTER (singt):

Wir kommen daher aus dem Morgenland


ZWEITER (unterbricht):

Und das ist unser Problem


ERSTER:

Wo sollen wir sonst her kommen?


ZWEITER:

Na von hier

Die Frohe Botschaft

von Nachbar zu Nachbar

Das wollen die Leute hören

Morgenland

dass klingt nach

arabischem Frühling

nach politischer Verfolgung

nach Bürgerkrieg

nach Flucht

nach riesigen Flüchtlingslagern

nach Flüchtlingsstrom


ERSTER:

Du meinst

wir sind hier

nicht erwünscht?


ZWEITER:

Doch doch

Als Erntehelfer

oder Scheißewegräumer

Giftspritzer

und Entsorger


ERSTER:

Also 

brauchen sie uns


ZWEITER:

Das 

würden sie nie zugeben

Es irritiert sie

wenn unsereins

Arzt oder Jurist wird

Sie empfinden das

als Undankbar


ERSTER:

Aber 

sie profitieren 

doch davon

Wir beleben

Handel

und Wirtschaft

Wissenschaft

und 

Kunst


ZWEITER:

Ich sage nur

Morgenland

Das heißt

Beschneidung

Burka

Klitorisverstümmelung

Zwangsheirat

Hände ab

Kopf ab


ERSTER:

Sie halten uns

für die Speerspitze?


ZWEITER (lachend):

Nein

für die

die ihnen 

die Luft rauben

Ihnen die Haare

vom Kopf fressen

Sie haben Angst

nennen es

Überfremdung

Die gleichen Leute

die hier 

die Mauer abgebaut haben

bauen sie 

wo anders wieder auf


ERSTER:

Ich bin gerne hier

Wir haben eine Botschaft


ZWEITER:

Welche?


ERSTER:

Ja

das jeder 

hier herkommen kann


Der ZWEITER kann sich vor Lachen nicht mehr 

einkriegen.


ZWEITER:

Wegstecken 

werden sie uns nicht

Sie haben zu viel 

mit den Grenzen zu tun

Tag für Tag

werden die Mauern höher

mit rasierscharfem Stacheldraht obenauf


ERSTER:

Wir tragen Turban

und einer von uns

ist schwarz


ZWEITER:

Schwarz 

wie die Wichse 

der Springerstiefel


ERSTER (singend):

Wir kommen daher

aus dem Morgenland


ZWEITER (unterbricht):

Morgenland

ist abgebrannt

Dass wir überlebt haben

ärgert sie am meisten

Das geht nicht

mit rechten Dingen zu

bei den schrecklichen Bildern

im Fernsehen

Dass so viele

überlebt haben

Sinkt ein Flüchtlingsschiff

vor ihren Küsten

glauben sie den Zahlen nicht

halten sie für übertrieben

Kommen wir ins Land

misstrauen sie den Zahlen

halten sie für untertrieben


ERSTER:

Das ergibt überhaupt keinen Sinn


ZWEITER:

Doch doch

Wir sind ohnehin 

unglaubwürdig geworden


ERSTER:

Nur

weil sie uns die Tür 

vor der Nase zuschlagen?


ZWEITER:

Schau uns doch mal an


ERSTER:

Was denn?

Was denn?


ZWEITER:

Wir sind unglaubwürdig geworden


ERSTER:

Unsinn

Die Zeit ist eine andere 


ZWEITER:

Hallo?

Unsere Geschäftsgrundlage 

stimmt nicht mehr


ERSTER:

Wir hätten nicht so früh 

aufbrechen sollen


ZWEITER:

Na?

Fällt dir immer noch nichts auf?


Er beginnt laut zu zählen.


Eins

Zwei

Verstehst du?

Eins

zwei


Der ERSTE schaut den ZWEITEN ratlos an.


Fällt dir nichts auf?


ERSTER:

Ich bin der schwarze König

Du bist der weiße König


ZWEITER:

Und?


ERSTER:

Und?

Und?

Du gehst mir auf den Nerven

mit deinem Und?


Voller Wut stellt er die Koffer ab. Er öffnet sich. 

Aus ihm entweicht eine Gummipuppe, die sich 

langsam selbst aufbläst. 

Die Sexpuppe trägt das Gewand eines Scheichs.


ZWEITER:

Es fehlt der dritte König

Weil es heißt

Heilige drei Könige

und nicht zwei heilige drei Könige

Ach was rede ich

zwei heilige Könige


ERSTER:

Was redest du?

Wir sind doch zu dritt!


Voller Stolz zeigt er auf die Puppe mit dem offenen 

Mund, die ein Beduinengewand und eine Krone 

trägt.


ZWEITER:

Bei dem Anblick

hetzen sie uns 

die Hunde auf den Hals


ERSTER:

Ich kann gut mit Tieren


ZWEITER:

Oder sie rufen die Polizei

und die wollen Papiere sehen

gültige Papiere

waschechte Papiere


ERSTER:

Mein Gott


ZWEITER:

Das könnte dir so passen


Er setzt sich auf den zweiten Koffer, der verschlossen ist.



ERSTER:

Vielleicht 

sollten wir den Schwarzen ganz weglassen

In den Niederlanden

diskutieren sie

über die Abschaffung 

des swarten Piets


ZWEITER:

Wer?


ERSTER:

Der swarte Piet

der schwarze Peter

ist in den Niederlanden

der Assistent des Nikolaus

des Heilgen St. Nikolaus


ZWEITER:

Das ändert nichts

Den Negerkuss 

schaffen sie ab

aber die Schwarzarbeit bleibt

So ist das

es lebe das Zigeunerschnitzel

und der lustige Bosnierteller

Und wenn es auf dem Balkan

ums große Abschlachten geht

schauen wir weg


ERSTER:

Ich meine ja nur

Wir können das Morgenland

doch einfach streichen

ZWEITER:

Wir können uns das ganze Gesinge

schenken

So weit kommen wir gar nicht


ERSTER:

Ich könnte einen Fuß

in die Tür stellen

oder den Stern nehmen


ZWEITER:

Die Gummipuppe

könnte uns rausreißen

Liebe zu dritt

und das am Vormittag

Haben die Schwarzen

nicht riesige Prügel


ERSTER:

Es lebe das Vorurteil

Zudem finde ich unseren 

dritten König

sehr symbolträchtig

Er schwebt über allem

ist aus Plastik

und dadurch 

langlebig


ZWEITER:

Langlebig

langlebig

Man merkt

sofort

das Goethe Institut

das will keiner hören

Klare Botschaften

sind angesagt

vor allem

am Vormittag


ERSTER:

Wir haben eine Botschaft

und sind nicht Bestandteile

einer Seifenoper


ZWEITER:

Eine Botschaft 

eine Botschaft

wie sich das anhört

Da ziehen 

drei durchgeknallte Könige

durch die Gegend

wahrscheinlich zugekifft

um den König der Könige 

zu huldigen

Dass er geboren wurde

hat ihnen ein Stern verraten

der ihnen auch den Weg weist

Wie krank ist das denn?

Aber das Beste 

kommt ja erst noch

Da kommen die drei Fürsten

aus dem Morgenland

huldigen einem Neugeborenen

in dem sie ihn 

mit Reichtümern 

voll scheißen

und als Dankeschön

kommen ein paar hundert Jahre später

die Kreuzritter

und metzeln alles nieder


ERSTER:

Ich glaube

die Leute spüren

deine negativen Schwingungen

Deshalb 

schlagen sie die Tür zu

Wahrscheinlich 

wissen sie noch nicht einmal warum

Eiskalt 

wird sie sein 

die Welle

Vielleicht denken sie auch

es ist der Sensenmann

Auf jeden Fall

fröstelt ihnen

und schmeißen 

aus Schutz

die Tür zu


ZWEITER:

Es fröstelt ihnen

es fröstelt 

Es ist deine Sprache

die sie nicht wollen

Und natürlich die Botschaft

Die Leute

wollen positive Nachrichten

Alles wird gut

Das ist es 

Alles wird gut


ERSTER:

Alles wird gut

alles wird gut

Was ist das für eine Nachricht?

Da geht es doch um mehr

Die drei 

stehen für den Aufbruch

für Veränderung

Da machen sich drei Könige auf


ZWEITER (unterbricht):

Eben

wahrscheinlich 

damals schon

emigriert 

Flüchtlinge

Zuhause

haben sie die drei

vor die Tür gesetzt

so 

wird ein Schuh draus

Keiner wollte die mehr

Ein Tritt in den Arsch

und tschüss


ERSTER:

Sie wollten dem Kinde huldigen

Weihrauch

Myrrhe

und Gold für wahr

und dann sind sie 

wieder zurück


ZWEITER:

Hast du jemals 

von den Frauen

Eltern 

oder Kindern

der Heiligen Drei Könige 

gehört?

Ich nicht


ERSTER:

Oft sind jene Menschen

die der Gegenwart

weit voraus sind

sehr einsam

und allein


ZWEITER:

Naturgemäß

sind sie das

Sie leben 

ja nicht

im Hier und Jetzt


ERSTER:

Der Stern

steht für eine Vision


ZWEITER:

Gibt es im Deutschen

nicht so einen Spruch

Wie ging er gleich

Wie ging er gleich

Ich hab's

Er hat die Lampe an

Die einen

folgen einem Stern

und die anderen

haben die Lampe an


ERSTER:

Sie haben 

ihr Leben

der Vision

der Utopie 

geopfert

Das Leben 

auf dem Altar 

einer neuen Zeit

geopfert

und auf alles verzichtet

Auf Frau

auf Kinder

Die Eltern 

werden sie verstoßen haben


ZWEITER:

Da bringst du was

durcheinander


ERSTER:

Ich weiß

was du sagen willst

man kann aber auch

mit einer Idee

ein Königreich erschaffen


ZWEITER:

Und warum

sind sie nicht zurückgekehrt?

Es verliert sich jede Spur

Sie werden sich abgesetzt haben

Dem Kind 

kurz das Geld

und die Gewürze gezeigt

und dann ab 

durch die Stalltür

wahrscheinlich haben sie

Ochs und Esel 

noch mitgenommen

oder direkt

vor Ort verzehrt

Die müssen einen Hunger

gehabt haben


ERSTER:

Hat Ben Hur

sie nicht in der Wüste

an einem Brunnen getroffen?


ZWEITER:

Ben Hur

Ben Hur

Der hat ja auch den Erlöser

das Kreuz getragen

Johannes den Täufer

kennen gelernt

und ist 

überhaupt nicht gealtert

Märchen und Legenden


ERSTER:

Gerade zu dieser Jahreszeit

braucht der Mensch

eine Hoffnung

ein Licht


ZWEITER:

Der Ben Hur Schauspieler

war Sprecher

der Waffenlobbyisten

in den USA

Halleluja 




Piefke

PERSON:


PIEFKE Metzgermeister aus Deutschland

                                                 



IM LADEN




1.


Ein weiß gekachelter Raum. 

PIEFKE trägt eine weiße Hose und ein weißes Hemd.


PIEFKE:

Ich habe die Blutwurst

nach Wien geholt

die Blutwurst und die Leberwurst

Ganz Österreich

habe ich meine Wurst geschenkt

Vor mir

gab es doch überhaupt

keine Wurst 

in Wien

Geschweige denn

in Österreich

Würstl

das ja

Würstl

das können sie sagen

Würstl

und Würstlstand

zu mehr 

hat es nicht gelangt

Würstl

Würstl

genauso 

sehen sie aus

und sie schmecken auch so

Würstl

Wurst heißt das

WURST

W

U

R

S

T

WURST

Für alle 

zum Mitschreiben

Wurst

Wurst

und nochmals 

Wurst

Würstl

Armes Würstl

ja

da wird ein Schuh draus

Würstlstand

dieses ganze Getue

um eine Bude

Richtig stolz 

sind sie

auf den Würstlstand

nur weil er mehr

als drei Sorten Würstl

anbietet

Würstl eben

und keine Wurst

Hier heißt

es ja auch nicht Metzger

sondern Fleischhauer

Und genauso 

ist es denn ja auch

Wie die Bestien

reißen sie 

am Fleisch 

zerstören jede 

noch so kleine Faser

Mehr als einen Brei

können sie nicht herstellen

und den

zwängen sie dann

in die Därme

geschlachteter Kreaturen

bis zum Schluss

Tierquälerei

Wer Würstl

sagt

und meint

ist ein Sadist

Ich weiß

ich weiß

laut darf ich das 

nicht sagen

Schon gar nicht hier

in dieser Stadt

in der 

heiligen Würstl Stadt

In der Hauptstadt

des Würstl

wird man für so etwas

zu selbigen verarbeitet

Es heißt 

Wurst

und nicht 

Würstl

WURST

W

U

R

S

T

WURST

Es heißt ja auch nicht

Kriegl

sondern

Krieg

Ich 

habe die Wurst

nach Wien geholt

und sonst niemand

Hans

Wurstkönig

die Majestät

bin ich

Wurst

das heißt

Sinnlichkeit

Zur Herstellung

einer Wurst

die den Namen

auch verdient

muss man alle Sinne

beisammen haben

Sinne

und Sinnlichkeit

das liegt eng zusammen

Das kennt

der Fleischhauer nicht

Der zerkleinert alles

mischt es zusammen

und füllt es

in die Arschlöcher 

dieser Welt

Nein

nein

das ist nicht von mir

Freud 

das große Kind 

dieser Stadt

hat das schon

in seinem Spielzimmer festgestellt

Der österreichische Fleischhauer

ist analfixiert

Darum bringt er

außer

einem Würstl

auch nichts zustande

Wahrscheinlich 

hat er

die Mutter

als Endlosschleife im Ohr

Bub

mach dein Würstl

Bub

mach dein Würstl


PIEFKE biegt sich vor Lachen und verfällt in einen Hustenanfall.


PIEFKE:

Jetzt

wäre ich fast

am Wiener Würstl

erstickt

so weit 

kommt es noch

Alle Kriege 

in den letzten hundert Jahren

ach was sage ich

zweihundert Jahren

habt ihr verloren

Darüber 

würde ich mal nachdenken

Mit einem Würstl

ist kein Staat

zu machen 

geschweige denn 

ein Krieg zu gewinnen

Selbst euer Anstreicher

aus Braunau

hat diese KOST

schlichtweg

abgelehnt


Würstl


PIEFKE lacht.


Würstl


PIEFKE lacht und schaut sich um.


So

sieht ein Meisterbetrieb aus

Bei mir

kann man sogar

von der Decke essen

Tip Top

das ganze Geschäft

von der Kühlkammer

bis zum Laden

Eine Bruchbude

ist das gewesen

als ich es 

für teures Geld erworben habe

Übers Ohr

haben sie mich gehauen

Gedacht

mit einem Deutschen

kann man es ja machen

Von Anfang an

haben sie mir Steine

in den Weg gelegt

und als Krönung

mir diese Bruchbude

angedreht

Braun sind die Kacheln gewesen

tief braun

Aus Spaß

habe ich noch gefragt

ob hier früher die Gauleitung

ihren Sitz gehabt hätte

Aber diesen Witz

haben sie nicht verstanden

Sie nehmen überhaupt nichts auf

was von Außen kommt

Das Fremde

betrachten sie gar

als Bedrohung

Man muss sich das

einmal vorstellen

ein einfacher

rechtsschaffender Metzger

aus Deutschland

eine Bedrohung

für die ganze Stadt

Ganz Wien

hat gezittert

Dass ich nicht lache


Er lacht aufgesetzt.


Das einzige 

was zu zittern hätte

ist das Würstl

denn dem Würstl

habe ich den Kampf geschworen


PIEFKE hebt die Faust zum Gruß.



2.


PIEFKE steht vor dem Wandspiegel neben der Tür und versucht sich eine weiße  Fliege zu binden.


PIEFKE:

Der Liebe wegen

nach Wien

Gibt es sonst einen Grund

in diese Stadt zu kommen?

Man braucht sich ja nur

die Gesichter da draußen

anzuschauen

dann weiß man sofort

Freiwillig ist niemand hier

Und die

die es wirklich schaffen

der Stadt

den Rücken zu kehren

sind wie vom Erdboden verschluckt

Man hat nie mehr

von ihnen gehört

Da ist doch was faul

wenn man mich fragt

Aber

mich fragt niemand

Da verschwinden

reihenweise 

die Menschen

aber niemanden 

interessiert das

Wahrscheinlich

bin ich der einzige

in dieser Millionenstadt

der sich diese Frage stellt

Millionenstadt

dass ich nicht lache

Millionen Vermisste

das ja

Es hat in Wuppertal

mal einen Metzger gegeben

der hat Wandergesellen

zu Pökelfleisch

verarbeitet

und in der Nachbarschaft

verschenkt

Der Mann war beliebt

Da konnte man hinkommen

wo man wollte

Das waren die Hungerjahre

nach dem 1. Weltkrieg

da sehnte sich der Mensch

nach was zu beißen

Ich mache 

das beste Pökelfleisch

der Stadt

Ohne mich 

wüssten sie hier gar nicht

was richtiges pökeln heißt

Wer beim Salz spart

hat schon verloren

Und hier sparen sie sogar am Fleisch

Ich sage nur Würstl

Würstlstand

Nein

schaut man in die Gesichter

dieser unglücklichen Kreaturen

da wünscht man sich 

einen Moses

der sie aus der Gefangenschaft

hinausführt

und wenn nur

ins Waldviertel

Es wird einen Steinbruch

oder ähnliches geben

wo die hinkommen

die sich anmaßen

nur einfach zu buchen

Ich bin der Liebe

wegen hier

Auf der Jagd

bin ich gewesen

im schönen Kärnten

Rehaugen

Rehaugen

hat sie gehabt

Mit Rehaugen

fängt es an

dann mutieren sie

zu Kälberaugen

Selbst die Schweineaugen

sind nur eine Zwischenstation

denn letztendlich

landet man immer

bei den Fischaugen

Wenn man früh morgens 

wach wird

und man schaut

in Fischaugen

weiß man

dass das Leben

an einem vorbei gerauscht ist

Die lange Nase

hat es noch gemacht 

das Leben


(singend)

Nanananana

Nanananana


Und schon war es weg

Den Grüßaugust

gegeben 

und schon durch die Tür

Wer morgens früh

in Fischaugen blickt

sollte am besten

liegen bleiben


Schatzi

wo sind meine Manschetten?

Du weißt schon

die Weißgoldenen

die du mir 

zum Firmenjubiläum 

geschenkt hast

Die mit der Wurst drauf

die das Würstl schluckt


Er lacht.


Eine ganze Seite

habe ich in der Zeitung geschaltet

Erst ein australischer Künstler

ist bereit gewesen

dass zu zeichnen

was ich haben wollte

Ein österreichischer Maler

hätte sich überhaupt 

nicht getraut

Eine Wurst

so groß

wie ein Walfisch

und dann 

die Laich

der kleine Hering

das Würstl

das einfach 

gefressen wird


Er lacht.


Aufkleber 

habe ich machen lassen

Flugblätter

sowieso

Einen Zeichentrickfilm

wollte ich drehen lassen

Aber die Herren Künstler

haben nasse Füße bekommen

Die Stadt

der Fischaugen

und der Mutlosen

Komm auf die Brüstung

säuseln die Brücken

und locken 

mit süßlicher Stimme

Die Stadt

kann von Brücken

gar nicht 

genug bekommen

Wie die Lemminge

springen sie 

in die Donau


Schatzi

Ich finde die Manschetten nicht

Du weißt schon welche


Der Liebe wegen

nach Wien

Mein Vater

wollte mich entmündigen lassen

Die Mutter 

hat geweint

Warum nicht Wuppertal?

Gutes Pökelfleisch

kommt aus Wuppertal

Mutter

ich habe einen Auftrag

habe ich gesagt

eine Mission

Ich will die Wurst

in die Welt bringen

Ein Missionswerk errichten

Nicht umsonst 

habe ich Orgel gelernt


Er holt hinter dem Tresen ein (Keyboard) hervor und beginnt damit Orgelmusik zu produzieren.


Halleluja

Halleluja

Wahrlich

Ich sage euch

es kommt die Wurst

die eurer Leben

verändern wird

Halleluja

Halleluja

Ich sage euch

der Weg

wird ein beschwerlicher sein

Das Krokodil

wie ihr

die Gewürzgurke nennt

wird euch den Weg weisen

Halleluja

Halleluja

Wahrlich ich sage euch

es kommt die Zeit

und mit ihr

die Wurst

die euer Leben 

verändern wird

Halleluja

Halleluja


Er stellt die Orgel zurück hinter den Tresen.


Was für eine Akustik

Da kann sich der Wiener Musikverein

eine Scheibe abschneiden

Da verpufft doch

jeder Ton

an vergoldeten Säulen 

und Streben

Weiße Kacheln

das ist das ganze Geheimnis

der ganze Wiener Musikverein

weiß gekachelt

Dann könnte man 

von einem gelungenen Neujahrskonzert reden

aber so

Wieder nur so 

eine Würstlveranstaltung

Darum liebt der Wiener 

ja auch die Operette

und nicht die Oper

Wie muss sich Mahler

in dieser Stadt

der Ignoranten

gefühlt haben

Mahler

mit h

In keiner anderen Stadt

muss man das hervorheben

Wenn ich

von Mahler

rede

denken 

die Würstlpanscher

ich würde den Anstreicher

den Postkartenmaler

meinen

Den Beethoven

haben sie 

zu ihrem gemacht

den Gefreiten

längst zum Piefke

Hitler

klingt ja auch

fast preussisch

Hitler

Grützwurst

Schicklgruber

Würstl

Ein Schicklgruber

würde bei uns

Schinkel heißen

und für die Ewigkeit

bauen

und nicht zerstören

Das ist ohnehin

der größte Unterschied

Mit einer Mission

bin ich 

nach Wien gekommen

Missionieren

wollte ich

die frohe Botschaft

verkünden

Es gibt hinter dem Würstl

eine Wurst


Er schaut nach oben


Schatz

ich finde die Manschettenknöpfe nicht

Du weißt schon welche

Der Vater

war ja

vollkommen 

gegen die Verbindung

Schon bei dem Wort

Deutschland

ist er rot angelaufen

und hat Schaum gespuckt

Mich 

hat er überhaupt nicht 

sehen wollen

Ein Piefke

kommt mir nicht ins Haus

soll er immer 

und immer wieder 

gerufen haben

Irgendwann

haben es die Nachbarn

nicht mehr ausgehalten

Ein Tag

vor unserer Hochzeit

haben sie ihn geholt

und nach Steinhof gebracht

Abteilung 53

Ein kleiner Pavillon 

am Rande des Parks

Man schaut direkt 

auf die Jugendstilkapelle

Abteilung 53

steht auf keinem Wegweiser

selbst auf dem Plan

für die Feuerwehr

ist er nicht eingezeichnet

Ein kleines 

unscheinbares Gebäude

mit einem Aufzug

der tief in die Erde geht

Einen riesigen Stollen

haben sie in den Fels getrieben

um Platz zu haben

Platz 

für all diejenigen

die schon bei dem Wort

Deutschland

rot anlaufen

und Schaum spucken

In schicken Zweitbettzimmern 

sind sie untergebracht

und werden den ganzen Tag

mit Kuhglocken und Volksmusik

beglückt

Tu felix austria

Nein

das können wir Deutsche 

nicht sagen

ganz im Gegenteil

Der Römer

hat uns beschimpft

unsere Wälder

als stinkende Sümpfe 

bezeichnet

Unsere Tradition

und vor allem

unsere Sprichwörter

nicht ernst genommen

So wie man es

in den Wald

hinein schreit

so schallt es heraus

Während 

der Österreicher

die Jause

für den Römer bereitet hat

haben die Germanen

die Speere gespitzt

und die Äxte geschliffen


(mit kläglich nachgemachtem Wienerakzent


Herr Cäsar

darf‘s noch ein kleiner Brauner sein

Bitte sehr 

bitte gleich

Wir haben eine Römertorte

zum Niederknien

ach was sage ich

zum Reinsetzen

oder darf‘s

ein gallisches 

Geschnetzeltes sein

I scheiß mi an

der Cäsar

auf dem Opernball

und wen hat er dabei?

Ja 

wen hat er dabei

die K

die Kle

die Kleo

die Kleopa

ja

die Kleopatra

das geile Luder

aus der

Schönbrunner

Herr Cäsar

haben‘s 

schon Karten

für das Neujahrskonzert


Über die Tauern

ist der Cäsar

Maut sparen

und dann in der Breite

ins Alpenvorland

So ist der Deutsche

gastfreundlich

bis auf aufs Messer

Und später

die teutonische Keule


PIEFKE betrachtet die gebundene Fliege im Spiegel.


Sitzt wie angegossen

wie das Brät

in der Wurst

Stramm

müssen die Därme sein

Stramm und aufrecht

Die deutsche Wurst 

steht

Das Würstl

na ja

Es schlawinert eben


Schatz 

hast du gehört?


Wie soll sie? 

wie soll sie?

Ist ja gar nicht oben

Wahrscheinlich 

irrt sie auf dem Gelände

von Steinhof herum

auf der Suche

nach Pavillon 53

Aber den 

gibt es ja gar nicht

zumindest 

offiziell nicht


Er lacht.


Aber das 

wissen nur

die Piefkes



Die Schläfer

PERSONEN:



THEOPHIL Expolitiker und Bestsellerautor


EDELTRAUD Frau des Expolitikers und Bestsellerautors


MARTIN Freund und Verleger


RENATE Journalistin, langjährige Freundin


ROBIN Tochter, um die vierzig, aber wie ein Punk gekleidet, nach der amerikanischen Frauenrechtlerin Robin Morgan benannt


FRAU SCHNECK Lektorin und Schwester von Martin


GINA Inhaberin des Eissalons


GINO Inhaber und Ehemann von Gina


HANS-RÜDIGER Farbiger aus Südafrika




Das Stück spielt in der heutigen Zeit. 


Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen, mit Namensträgern und Spiegelbildern ist nicht beabsichtigt, sondern künstlerische Freiheit.




1.AKT


1.


Eine große Fensterfront. Dahinter mehrere einzelne Tische und Stühle und eine lang gezogene Bar. Durch eine Pendeltür geht es links in die Küche. Dort sind die Fenster bis in Kopfhöhe aus Milchglas. Rechts zwei Türen, die zu den Toiletten führen. Auch hier Milchglas bis in Kopfhöhe. Von der Decke hängt ein großer Ventilator, ein ehemaliger Flugzeugpropeller. 


Vor dem Eingang steht eine große Leiter, deren Spitze nicht zu sehen ist.

Mehrere Stromkabel führen nach oben. 

Unten an der Leiter steht GINA, die Besitzerin des Eissalons.

Auf dem Boden liegen mehrere Buchstaben aus Leuchtstoffröhren.


GINA schaut nach oben und schüttelt den Kopf.


GINA:

Pass bloß auf

Wenn es nicht geht

dann geht es nicht


Eine Stimme aus dem OFF, die GINO, dem Ehemann gehört, ruft.


GINO (aus dem OFF):

Ich werde doch wohl noch 

ein paar Schrauben locker kriegen


Die Leiter wackelt und gerät in Bewegung. GINO steigt herunter und gibt seiner Frau einen Kuss.


GINO:

Weißt du noch?

Schraube locker

Keine Tassen im Schrank

Der Krug bricht immer am Brunnen

oder so ähnlich


beide lachen


GINA:

Schuster bleib bei deinen Leisten

Ehrlich währt am längsten

Lieber den Spatz in der Hand 

als die Taube auf dem Dach


GINO:

Dank deinem Geschick

ist es wohl diesmal umgekehrt

Was bin ich froh

wenn der ganze Mist unten ist

Das Abmontieren hätte mich 

ein Vermögen gekostet

und du handelst sogar 

noch Geld aus

Ach Frau

was würde ich bloß ohne dich machen?


GINA:

Arzt wärst du geworden

und zwar der beste  


GINO:

Jetzt haben wir zwei wunderbare Kinder

und diesen Laden

ein Restaurant könnten wir hier eröffnen


GINA:

Hör auf

Das mit heute ist und bleibt eine Ausnahme

Denk an die Kinder

An ihr Lachen

Du machst das beste Eis der Stadt


GINO:

Ich weiß

ich weiß 

Schuster bleib' bei deinen Leisten


beide lachen


GINO gibt seiner Frau einen dicken Kuss und steigt wieder die hohe Leiter hinauf.


GINA:

Was für ein Mann


EDELTRAUD kommt von der Seite.


EDELTRAUD (telefoniert):

Schatzi

Natürlich hätte ich dich gern 

vom Flughafen abgeholt

Wo bist du gerade?

Immer noch in Brüssel

So so

nimm Dir einfach ein Taxi

Eissalon Sara...

Ja ja 

das ist die Überraschung

Nein nein

Den Laden gibt es schon

Keine Ahnung

wahrscheinlich eine Ewigkeit

Wir gehen doch seit Jahren 

nicht mehr raus

Es sei denn 

wir sind eingeladen

Im Grunde 

ist Theophil

menschenscheu

Der Mann mit den Rehaugen

weißt du noch?


sie lacht


Und ich bin drauf reingefallen

Ich weiß

ich weiß

Er war anders

als die anderen Kinder

Ich habe mich oft gefragt

wie er es geschafft hat

andere zu überzeugen

Ach Renate

ich freu mich so

dass du es geschafft hast

dir die Zeit zu nehmen

Hallo Hallo


EDELTRAUD steckt ihr Smartphone weg.


EDELTRAUD sieht die Leiter und GINA.


Aber nein

aber nein

Sie bauen immer noch ab?

Gleich kommen die Gäste

Das sollte doch eine Überraschung werden

Ach nein

Ach nein


GINA:

Keine Angst

das bekommen wir alles hin

Wir haben zehn Uhr morgens

und Sie haben das Lokal

für drei Uhr Nachmittags gemietet


EDELTRAUD:

Die Leiter muss weg

Und die Buchstaben 

müssen abgedeckt werden

Das soll doch eine Überraschung werden

Rede ich spanisch

oder was?


GINA:

Ich bitte Sie

vor zwei Tagen haben Sie mich besucht

das Lokal besucht

und gefragt 

ob Sie das da oben haben könnten


EDELTRAUD:

Wie?

Und da haben Sie noch überlegt 

und nicht sofort angefangen

Kein Wunder

dass die deutschen Kinder nicht mehr mitkommen

Mit ihrer phlegmatischen Weltanschauung 

bremsen sie den ganzen europäischen Prozess

Wobei ich

nur meinem Mann zuliebe

Europäerin bin 

ich halte gar nichts 

von einer Großvereinigung

Die kulturelle Vielfalt

das war doch das Schöne

Aber jeder doch

in seinem Land


GINA:

Wir werden den Tag

zu ihrer Zufriedenheit ausrichten

Machen sie sich da keine Sorgen


EDELTRAUD:

Sorgen?

Ihre Ruhe möchte ich haben

So geht das nicht


EDELTRAUD nimmt ihr Smartphone und drückt eine Taste.


(ins Telefon)

Hier geht ja wohl alles schief

Diese Leute glauben

sie kommen damit durch

Du weißt ja

Servicewüste Deutschland

Da miete ich zu dieser Jahreszeit

einen Eissalon an 

und mit Nichtstun

und Dilettantismus

wird es einem gedankt

Die Leute

Können so undankbar sein


EDELTRAUD scheint es gar nicht zu stören, das GINA und auf der Leiter auch GINO alles mithören können.


Renate

Bist du noch da?

Wieso Zollkontrolle?

Bei einem Inlandflug?

Ach wegen der Sicherheit

Was sollst du?

Das ist doch nicht wahr

Sag das noch mal

Den Midleton

sollst du wegschütten?

Den Midleton

Weiß der Schwachkopf überhaupt

für wen der edle Tropfen ist?

Was?

Gib mir den Schwachkopf mal

Was?

Der Mittelstrahl?

Ja

wenn es Sie glücklich macht


GINA holt einen Stuhl aus dem Eissalon und stellt ihn zu EDELTRAUD.

EDELTRAUD weist sie mit einer Handbewegung ab.


Hören Sie guter Mann

Bevor ich Ihnen meinen Namen sage

gebe ich Ihnen den Rat

die Frau

die einer meiner besten Freundinnen ist

mit der Flasche Whiskey

in das Flugzeug zu lassen

Nicht nur

dass Ihr Dienstherr

der Innenminister

der Taufpate

meiner Tochter ist

Ach das interessiert Sie nicht?

So leichtfertig gehen Sie also mit der Zukunft

Ihrer Kinder um

Im Übrigen wird Sie Ihre Frau verlassen

Wahrscheinlich schon heute Abend

wenn Sie erfährt

was für ein Dummkopf Sie sind

Das glauben Sie nicht?

Welcher Sekte gehören Sie denn an?

Zeugen Jehovas?

Wiedertäufer?

Ich sage Ihnen 

auch die werden Sie

vor die Tür setzen

wenn sie erfahren

wie blöd Sie sind

Ach 

Sie wollen mit mir nicht diskutieren?

Höre ich da etwa

erste Lernschritte heraus?

Hallo?

Hallo

Einfach aufgelegt


(zu GINA)


GINA:

Kann ich helfen?

Haben Sie Ärger mit Behörde?

Mein Cousin 

hat einen Freund

dessen Freundin

putzt bei einem Anwalt


EDELTRAUD:

Ach Kindchen

Lassen Sie uns lieber rein gehen 

und die Tische zusammenstellen


GINA und EDELTRAUD betreten den Eissalon. Im selben Moment fällt von oben etwas schweres Klobiges herunter und wirbelt Staub auf.


BÜHNE DUNKEL



2.


Vor dem Eissalon ist GINO damit beschäftigt die einzelnen großen Leuchtreklamebuchstaben mit Schwamm und Wasser zu reinigen. Im Eissalon sind die Tische zu einer langen Tafel zusammengestellt. GINA stellt die Stühle an den langen Tisch. Die Hand von EDELTRAUD, die zwischen der Schwingtür steckt, winkt fordernd. 


GINO:

Beachtlich 

was diese kleinen Vögel 

alles unter sich lassen


er lacht


Vogelscheiß am Morgen

vertreibt Kummer und Sorgen


Dabei geht es uns gut

Ein eigenes Geschäft

Keine Schulden

Die Kinder studieren

Der Junge wird Arzt

Und das Mädchen Advokat

Nein

Wir haben Glück gehabt

Sonntagskinder

Und jetzt werden wir auch noch

die Reklame los

Endlich ein eigenes Schild

vor unserem eigenen Lokal

Eigentum verpflichtet

Es wird nichts so heiß gekocht

wie es gegessen wird

Ein Hund lief um die Ecke

und stahl dem Koch ein Bein

Unsinn Unsinn

den Wein

Die Deutschen und ihre Sprichwörter

Wer solche Sätze bilden kann

dem wird nicht langweilig


GINA kommt aus der Küche in den Salon und tritt nach draußen.


GINA:

Die Frau raubt mir noch den letzten Nerv


GINO:

Ich habe auch noch einen

Ehrlich hat den Längsten



GINA (lachend):

Trottel

Ehrlich währt am längsten

Das will sagen

Wenn du ehrlich bist

bleibst du und deines Gleichen erhalten

Im Großen gedacht

Nur die Kultur überlebt

die ehrlich ist


GINO:

Das leuchtet mir ein

Lügen haben kurze Beine

Wenn du da bist

denke ich ganz anders 


GINA:

Ich weiß 

mein Schatz

Aber wenn du nicht gleich

in der Küche verschwindest 

ist es vorbei 

mit unserem Glück


GINO:

Und?

Wo ist diese Frau?


GINA:

Oben


GINO:

Wie oben?


GINA:

Ja 

in unserer Wohnung


GINO:

Du hast sie 

in unsere Wohnung gelassen

und stehst jetzt hier

Was ist

wenn sie ins Schlafzimmer geht?


GINA:

Sie wird sich fragen

Warum wir keinen Sex mehr haben

bei zweiundfünfzig Fernsehern


GINO:

Bitte bitte

das haben wir so lange schon durch

Er ist mein Bruder

Jeder Geschäftsmann 

fängt klein an

Und er eben mit zweiundfünfzig Fernsehern


GINA:

Die geklaut sind


GINO:

Woher willst du das wissen?

Sag mir lieber 

warum diese Frau

In unserer Wohnung ist?


GINA:

Sie kann nicht


GINO:

Was kann sie nicht?


GINA:

Kacken

Sie kann nicht kacken

Ich weiß 

eine Frau 

sollte so etwas nicht sagen

eine Frau 

sollte andere Worte benutzen

Aber glaube mir

auch sie hat kacken gesagt

Natürlich nicht am Anfang

Da hat sie so getan

als würde sie sich 

für unsere Wohnung interessieren

Aber ich habe es ja gesehen

diesen gequälten Blick

in ihren Augen

Nein

Sie wollte nur kacken

und das hat sie letztendlich auch gesagt


GINO:

Ich hab noch einen:

Aus dem Krug

wird so lange getrunken

bis man bricht


beide lachen


GINO (ernst):

Und du glaubst

die sitzt jetzt da oben

und presst 

und presst

ein Ei aus?


GINO:

Und die Buchstaben?

Was ist mit den Buchstaben?

Glaubst du 

der liebe Gott holt sie vom Dach


GINA:

Du und dein lieber Gott

Für mich ist dein lieber Gott

zu oft in Urlaub

Am siebenten Tage sollst du ruhen

Ach

was soll das?

Für die einen ist der Siebte der Fünfte

Für die anderen der Siebte der Sechste 

Was ist das für eine Welt


GINO:

Und für manche ist jeder Tag der Siebte


er lacht


Für mich wäre das nichts

Den ganzen Tag 

auf der faulen Haut liegen


Mit lässigem Schritt und Designeranzug nähert sich HANS-RÜDIGER, ein hochgewachsener Farbiger, der gut in die New Yorker Künstlerszene passen würde.


HANS-RÜDIGER:

Ick hier richtick?

Du Chef

ich Kellner


GINO:

Kellner?

Soll ich lachen


GINA:

Das geht schon in Ordnung


(zu HANS-RÜDIGER)


Dann kommen Sie mal mit

HANS-RÜDIGER:

Tutu 

Sie können Tutu zu mir sagen


GINA lacht und führt HANS-RÜDIGER ins Lokal.


GINO:

Uns geht es zwar gut


auch wieder nicht

dass wir uns einen Kellner leisten könnten

Wenn es nach mir gegangen wäre

Ich hätte das Lokal nicht vermietet

vor allem nicht an Leute

die keine Anzahlung leisten

Der Bekannte eines Freundes 

meines Freundes

vermietet Ruderboote

der nimmt auch eine Kaution

Selbst beim Billard

oder Minigolf

nehmen sie Pfand

oder verlangen Kaution

Aber meine Frau

nimmt nichts

Große Leute

sagt sie

da kommen große Leute

Seit wann zahlen große Leute?

Zudem

sehe ich nur eine Frau

die unaufhörlich telefoniert

und nicht kacken kann

Aber das

werde ich mir mal aus der Nähe anschauen


GINO steigt die Leiter hoch.


GINA und HANS-RÜDIGER verlassen die Küche und treten durch den Hinterausgang nach draußen.


GINA:

Und Sie trauen sich das zu?

Jetzt 

wo sie keinen Dialekt mehr sprechen


HANS-RÜDIGER:

Habe schon ganz andere Sachen gemacht

Eigentlich habe ich 

schon fast alles gemacht

Selbst den Jim Knopf

im Kindertheater gegeben

Ich bin das zweite Kind von fünfzehn

das verpflichtet

Zudem habe ich noch dreiundzwanzig Onkel und Tanten

die ihrerseits auch viele Kinder haben

 

GINA (lachend):

Ihr Humor gefällt mir

Ich habe das Buch über Ihren Großvater gelesen


HANS-RÜDIGER:

Na

dann kann ich Ihnen ja nichts vormachen

Bitte verraten Sie mich nicht

Es soll für alle eine Überraschung sein


GINA:

Ich kann Schweigen wie ein Grab

Ich komme aus einem Land

da ist so eine Charaktereigenschaft 

überlebenswichtig


Ein Frauenschrei von oben lässt GINA und HANS-RÜDIGER erstarren.

Dann das laute Geräusch einer Bohrmaschine.


HANS-RÜDIGER:

Wollen Sie nicht nachschauen?


GINA:

Nein nein

Ich kann mir denken

was passiert ist

Unsere Toilette hat ein Fenster 

und geht zur Straße


HANS-RÜDIGER:

Ich kann auch kochen

Was halten Sie von einer exotischen Suppe?


GINA:

Sie wollen es Italienisch

Einfach

Toskanisch

So wie die Bauern essen


HANS-RÜDIGER:

Einfach und teuer

Dekadent

wie der ganze Kontinent

In letzter Konsequenz

werden wir gezwungen werden

kommunistisch zu sein

Die Natur kennt keinen Gewinn

Wir Menschen 

träumen von einer Win Win Situation

Und die Politik

betreibt weiter 

ihren menschenverachtenden Kapitalismus

Zu recht

denn die Demokratie 

in der jetzigen Form

ist ein Vampir


er lacht


Keine Angst

Ich kann den Neger perfekt geben

Devot

Opportunistisch 


GINO steigt die Leiter herunter. In der Hand hält er ein Seil.

Langsam lässt er das Seil herunter. Ein A aus der Neonreklame taucht auf und nähert sich langsam dem Boden.


GINO:

Was sie sich anstellt

Prinzessinnengehabe

Da kommt 

was auf uns zu

Dabei

habe ich doch gar nichts gesehen


GINO steigt mit dem Seil wieder die Leiter hinauf.

Aus dem OFF ist ein Auto zu hören. Der Wagen hält, Türen öffnen und schließen sich.


THEOPHIL und MARTIN schreiten heran. Sie tragen lange Kaschmirmäntel, Hüte und dunkle Sonnenbrillen.


MARTIN:

Bis du dir sicher

dass das hier ist?

Sieht mir nicht sehr einladend aus


THEOPHIL:

Es ist mein Geburtstag

und Edeltraud hat etwas organisiert

Ich kenne es gar nicht anders

Statistisch gesehen 

sind neunundsechzig Prozent

meiner Geburtstage gut organisiert gewesen

dreizehn Prozent weniger gut

an vier Prozent 

möchte ich mich nicht erinnern

und an zwei Komma fünf Prozent 

will ich mich nicht erinnern


MARTIN:

Zwei Komma fünf Prozent?

Wann hast du denn einen halben Geburtstag gefeiert?


THEOPHIL:

Nun

meine Frau wollte unbedingt

an meinem Geburtstag heiraten

Zwei Feierlichkeiten an einem Tag

Da muss ich teilen

Korrekterweise wären es übrigens 

keine Null Komma fünf Prozent

sondern Null Komma Sieben Fünf Prozent

Denn ich muss ja fairer Weise

die Hochzeit mit meiner Frau teilen


MARTIN:

Dass ich da selbst nicht darauf gekommen bin

Aber an New York

erinnere ich mich zu genau

an deine Geburtstagsfeier in New York

Ausgerechnet der Central Park

musste es sein

Ohne das Auswärtige Amt

säßen wir wahrscheinlich

immer noch im Knast


THEOPHIL:

Du übertreibst

Letztendlich war es ein Kommunikationsproblem

Andere Länder

andere Sitten

Wusstest du eigentlich

dass noch nie so wenig Morde

in New York begangen worden sind

wie heute?

Das ist ein Fünftel von dem

als wir in der Stadt waren

Zweitausendzweihundertzweiundvierzig Morde

Bei einer Acht Millionen Stadt

In Prozente einfach lächerlich


MARTIN:

Das habe ich aber anders in Erinnerung

Eingedroschen haben sie auf uns

Mit den Pferden sind sie auf uns los

weil sie gedacht haben

wir wären irgendwelche

zugekifften

Vietnamveteranen 

die durch LSD

auf ihrem Trip 

hängen geblieben sind

Nur weil Edeltraud

auf die grandiose Idee gekommen ist

uns in Blumenkinder 

Kostüme zu stecken

Da trägt man einmal

Veteranen Armeesachen

und schon wird man verprügelt


er lacht


Dafür habe ich meine erste Negerin gefickt

und du musstest zahlen

Erinnerst du dich

wie du mich gefragt hast

ob sie gestunken hat?

Wie ein Pennäler 

hast du mich ausgefragt

Jede Kleinigkeit 

wolltest du wissen


THEOPHIL:

Statistisch gesehen 

ist mir jede Frau fremd

Wenn es nach meiner Frau geht

Neunundneunzig Prozent

Eine Welt

die mir fremd ist

muss ich mir erfragen

Dass Ernst Jünger

im letzten Drittel

seines Lebens

sich der Insektenforschung 

gewidmet hat

erscheint mir zwangsläufig


MARTIN:

Dir fremd

dass ich nicht lache

Vor nicht einer Stunde

hast du dir die Seele

aus dem Leib gebumst


THEOPHIL:

Ich bumse nicht

Wenn überhaupt

lasse ich mich bumsen

Im Grunde 

ist es eine Verrichtung

nicht mehr und nicht weniger

Eine Verrichtung

Auf die ich jeder Zeit verzichten kann

Außer an meinem Geburtstag

da hat es Tradition

Seit meiner Volljährigkeit

pflege ich diese Tradition

Zudem muss ich wissen

was eine Millionen Menschen 

täglich ins Bordell treibt

Statistisch gesehen

keine unbedeutende Zahl

Vor allem wenn man bedenkt

das nicht alle eine Millionen Besucher

am Besuchertag auch Geburtstag haben

  

MARTIN:

Eine schöne Bewahrung

Aber müsstest du dann nicht

auch immer dieselbe Dame benutzen


THEOPHIL:

Du hast nichts verstanden

mein Freund

Es geht doch nur um die Verrichtung

Die Damen 

spielen da doch 

überhaupt keine Rolle

Die Damen

sind nur die Gewürzmischung

in einer Melange aus Erinnerungen

Welcher Tag taugt

da besser 

als der eigene Geburtstag

Die Erinnerung

ist der Parameter

Statistisch gesehen


MARTIN (unterbricht):

Ich geh ins Puff

weil ich Bumsen will

So wie ich zum Friseur gehe

um mir die Haare schneiden zu lassen


THEOPHIL:

Ich gehe zum Friseur

um Neues zu erfahren

Die Befindlichkeit der Menschen ertasten

so wie bei einer Vorsorgeuntersuchung

Wie übrigens dreiundsiebzig Prozent 

der männlichen Bevölkerung

Bei Frauen 

liegt die Prozentzahl 

wesentlich höher


MARTIN:

Kleine Hafenrundfahrt was?


er lacht


Im selben Moment fällt der Buchstabe S aus der Neonreklame zu Boden und wirbelt eine Staubwolke auf.


BÜHNE DUNKEL

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